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Richtig Leichttraben auf dem falschen Fuß

Als Reitlehrer begegnen einem so manche Kuriositäten. Solch eine Kuriosität erleben wir beim Leichttrabens auf dem „richtigen“ oder dem „falschen“ Fuß. Gemeinhin wird gelehrt, dass es in der Reitbahn ein Leichttraben auf dem richtigen Fuß gibt- und der Trab auf dem falschen Fuß zu vermeiden ist. Soweit so gut.

Wie so oft im Leben ist es aber interessant und aufschlussreich einen Blick in die Historie zu werfen um Sachverhalte zu verstehen, daher haben wir uns mit der Entwicklung des Leichttrabens beschäftigt:

Bis zur Zeit von Seydlitz (bedeutender Kavallerieführer Preußens, um 1760) wurde im damaligen Deutschland auf Märschen im Sitzen oder in den Bügel stehend getrabt, während die Franzosen überwiegend im Galopp lange Strecken zurücklegten. Die Erfindung des Leichttrabens ist aber den früheren englischen Postkutschenreitern zu verdanken, die tagelang auf den linken Pferden der Vierer- bzw. Sechserzügen ritten. Kilometerlanges Aussitzen im Trabe war übermäßig anstrengend für Pferd und Reiter. Und so begannen sie jeden zweiten Trabschritt aufzustehen. Heutzutage ist der Begriff „posting“ bei den Engländern ein gebräuchlicher Begriff für das Leichttraben. In Deutschland wiederum nannte man das Leichttraben „Englischtraben“, da der Trend ja von England herüberschwappte. Somit fand es im vorigen Jahrhundert bei den Kavalleriereitern mehr und mehr Einzug. Schließlich konnten so nun auch eher ungeübte Kavalleristen schnell zu Pferd an den Feind ziehen.

Bis zu dieser Zeit gab es aber kein Leichtraben auf dem richtigen oder falschen Fuß. Was hat nun genau dazu geführt, dass es gegenwärtig ein Traben auf dem richtigen Fuß gibt?

Laut Rolf Becher soll es sich in etwa so zugetragen haben:

Als ein Kavallerieinspekteur sich die Englischtrab-Künste der Kavalleristen anschauen und überprüfen wollte, ließ der Schwadronenchef die Reiter in der Bahn antreten und leichttraben. Der Inspekteur war erfreut und befahl ein weiteres Zulegen im Trabe (entspräche dem heutigen Mitteltrab). Nun kam es aber zum Drama, denn nahezu die Hälfte der Pferde galoppierten in den Wendungen an. Der verärgerte Inspekteur befahl das Problem schleunigst abzustellen. Es folgte ein Beraten der Reitlehrer, wie man diese missliche Situation vermeiden könne. Nach langem hin und her fanden sie heraus, dass leichtgetrabt wurde ohne zu Beachten, auf welchem Fuß. So trabten eben einige auf dem inneren Vorderbein leicht, andere auf dem äußeren. Durch Zuschauen und Ausprobieren kamen sie zu der korrekten Schlussfolgerung, dass die Pferde, die auf dem inneren Vorderbein leichtgetrabt wurden (d.h. die Reiter standen auf, als das innere Vorderbein nach vorne schwang), in den Wendungen angaloppierten. Es wurde also beschlossen, fortan nur noch auf dem äußeren Vorderbein leichtzutraben - was dem heutigen Traben auf dem „richtigen Fuß“ entspricht -und die Pferde galoppierten in den Wendungen nicht mehr an.

Auf diese Art und Weise wird bis in die heutige Zeit in der Bahn leichtgetrabt, der eigentliche Sinn und Zweck wie es zu dem richtigen oder falschen Fuß kam, wurde mehr oder weniger vergessen.

Statt dessen wird dogmatisch unterrichtet, gelehrt, geschrieben und geglaubt, dass ein Leichttraben auf dem äußeren Vorderbein das einzig richtige sei. Die Begründungen dazu fehlen oft ganz oder es heißt, dass das innere Hinterbein in Wendungen durch das Aufstehen entlastet werden muss, obwohl es den Sinn, das innere Hinterbein zum vermehrt aktiveren Vortreten ganz und gar verfehlt. Denn genau das war ja damals der Grund, warum man sich bei fleißigen Pferden in der Kavallerie, die beim vermehrten Treiben angaloppierten, zum Leichtraben auf dem äußeren Fuß entschied: um das vermehrte Untertreten bei Pferden mit viel Vorwärtsdrang nicht noch mehr zu unterstützen.

Wie kann man sich also erklären, dass die Pferde, die auf dem inneren Vorderbein leichtgetrabt werden, offenbar fleißiger fußen?

Dafür schauen wir uns den Trab einmal genauer an: Der Trab ist ein Zweitakt und gekennzeichnet durch eine diagonale Fußfolge. Er hat vier Phasen, wobei zwei davon Schwebephasen sind und sich kein Huf auf dem Boden befindet. Also linkes Vorderbein schwingt gleichzeitig mit dem rechten Hinterbein vor, dann folgt eine Schwebephase, dann folgt das Landen auf dem linken Vorderbein mit dem rechten Hinterbein, während das rechte Vorderbein mit dem linken Hinterbein durchschwingt. Dann folgt wieder die Schwebephase.

Diesen Zweitakt macht man sich also beim Aufstehen und Einsitzen zunutze. Was passiert dabei aber mit dem Unterschenkel des Reiters? Er kommt beim Einsitzen automatisch an den Pferdebauch heran. Beim Aufstehen dagegen geht der Unterschenkel vom Pferdebauch weg. Dies ist der Sitz, der aus sich selbst heraus treibt, das Pferd holt sich die natürliche treibende Hilfe selbst ab. Es kann also nur beim Einsitzen getrieben werden. Beim Aufstehen treiben zu wollen ist schwierig und ist wider der natürlichen Bewegungsmechanik.

In jeder Reitvorschrift steht geschrieben, dass sich nur dasjenige Hinterbein treiben lässt, welches gerade abgefußt hat und in der Luft ist. Ein stützendes Hinterbein, welches die ganze Last trägt, kann keinen treibenden Impuls umsetzen. Wenn man sich diesem Fakt bewusst ist und dazu noch, wann beim Leichttraben aus dem natürlich Sitz getrieben werden kann (nämlich beim Einsitzen), wird alles ganz klar und logisch.

Zusammengefasst lässt sich also feststellen, dass es überhaupt keinen „falschen“ oder „richtigen“ Fuß beim Leichttraben gibt. Es ist aber falsch (weil wirkungslos) ein Hinterbein aktiv treiben zu wollen, welches gerade das Stützende ist. Es ist unsinnig, treiben zu wollen, während der Sitz das in dem Moment kaum zulässt (beim Aufstehen). Es ist also eine Frage der Situation, wann man beim Leichttraben eine Treibehilfe sinnvoll anwendet: habe ich ein stürmisches, fleißiges Pferd in der Bahn, kann ein Leichttraben auf dem äußeren Vorderbein durchaus sinnvoll sein. Bei einem triebigen Pferd hingegen muss ich das innere Hinterbein zum vermehrten Untertreten animieren und trabe daher auf dem inneren Vorderbein leicht, oder bei der Korrektur eines schiefen Pferdes, welches mit dem inneren Hinterbein nach innen am Schwerpunkt vorbei tritt, trabe ich natürlich ebenso auf dem inneren Vorderbein leicht. 

Abschließend lehrt uns diese Anekdote aber auch, dass ein Hinterfragen und Reflektieren von Vorschriften und Dogmen unerlässlich ist, wenn man für und mit dem Pferd reiten möchte. Oder wie es Immanuel Kant uns schon gelehrt hat: habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen!