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Pferd & Hund

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die wichtigste Eigenschaft für das Pferd als Fluchttier ist seine außer-gewöhnliche Sensibilität. Ein Pferd reagiert auf Gedanken, Stimmungen, winzige Veränderungen der Muskelspannung oder des Herzschlags eines Menschen – am Boden oder auf seinem Rücken. 
Es kann die Lebewesen in seiner Umgebung lesen und jeden noch so kleinen Hinweis auf Anspannung oder Angst in einem von ihnen wahrnehmen. 
Dies alles, um einer möglichen Gefahr möglichst frühzeitig entkommen zu können und so sein Leben zu retten. 
Diese außergewöhnliche Sensibilität ist für das Pferd also überlebenswichtig und genau damit verknüpft: mit der Frage nach Leben oder Tod. 
Gleichzeitig macht es diese Feinheit zu einem der sanftmütigsten und freundlichsten Geschöpfe der Erde. 
Aufgrund der enormen Größe und Kraft des Pferdes scheint es vielen Reitern schwer zu fallen, dies in den Vordergrund ihrer Wahrnehmung und vor allem ihres Handelns zu stellen. 
Die gleichen Reiter, die an den Abreiteplätzen dieser Welt stehen und voller Bewunderung jenen Reitern zusehen, die ihre Pferde aufgrund fehlender korrekter Ausbildung von Reiter und Pferd mithilfe von Zwangsmaßnahmen und dem Zufügen von Schmerzen gleichzeitig heiß machen und unter Kontrolle halten, kommen vor Empörung nicht mehr in den Schlaf, wenn an demselben Abreiteplatz hinter ihnen ein Hund - aufgrund des identischen Fehlens von korrekter Ausbildung - von seinem Besitzer an einem würgenden Stachelhalsband über das Gelände geschleift wird. 
Dieselben Reiter erzählen am nächsten Tag beim „Warmreiten“ im Stall den anderen Reitern von diesem unmöglichen Vorfall mit dem Hund, gestern am Abreiteplatz auf dem Turnier, und dass man das hätte anzeigen müssen und ziehen dabei ihren Pferden mit scharfem Gebiss bewaffnet die Nase auf die Brust, während sie bei jedem Schritt den Sporn im Bauch versenken. Dem gleichen Bauch, der von einer derart empfindlichen Haut mit derart vielen Nerven bedeckt ist, dass eine einzelne, winzige, gewichtslose Mücke zielgenau mit einem Zucken der Muskeln in exakt dem winzigen Areal auf dem riesigen Pferdekörper, auf dem sie sich niedergelassen hat, vertrieben wird.  
Aber der Hund sitzt abends mit ihnen auf dem Sofa und wenn er mal beißt, dann hat man ihn sicher geärgert und war somit selber schuld. 
Das Pferd hingegen ist 650 Kilo geballte Kraft und muss im Kopf dieser Reiter aus diesem Grunde von vorneherein unterworfen werden. 
Ich möchte daher sicher gehen, dass alle Reiter verstehen, was sie ihren Pferden damit antun: 
Für ein Pferd ist, wie oben beschrieben, bereits die Angst des Reiters vor Kontrollverlust ein Auslöser für den Fluchtinstinkt. Diese Angst macht es also viel wahrscheinlicher, dass das Pferd tatsächlich durchgeht, scheut, steigt: Weil es von seinem Reiter bereits in Anspannung versetzt wurde. 
Wenn der Reiter ihm nun auch noch Schmerzen und Zwang zufügt, steigert das die Panik und Anspannung des Pferdes ins Unermessliche. 
Natürlich reagiert auch der Hund auf Anspannung im Menschen. Nur ist dies bei ihm kein Auslöser für Angst um das eigene Leben, sondern sehr viel eher ein Zeichen für den Aufbruch zur Jagd. 
Der Hund ist der Jäger, das Pferd der Gejagte. 
Für das Pferd ist es daher absolut überlebenswichtig, und das meine ich wörtlich, denn etliche ernsthafte Erkrankungen des Pferdes werden durch Stress hervorgerufen, dass der Reiter seine besondere Sensibilität und Feinheit zu jeder Zeit an die erste Stelle stellt und sich entsprechend verhält. Kein Pferd hat es verdient, aufgrund der Unsicherheit oder der Erfolgssucht seines Reiters Schmerzen zu erleiden oder in Stress versetzt zu werden. 
Vielleicht sollten Reiter grundsätzlich einfach häufiger an Ihren Hund denken, wenn sie mit Ihrem Pferd umgehen und das Pferd als ebensolchen Freund betrachten. Denn das ist genau das, was das Pferd sein möchte - man muss es nur zulassen.

Julie von Bismarck

photo istock 

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