Das große Missverständnis
Da ich gestern wieder damit konfrontiert war und es ganz sicher eines der drei größten und für die Pferde schlimmsten Missverständnisse der Reiterwelt ist, möchte ich noch einmal wiederholen, was ich hier und in all meinen Büchern schon so oft geschrieben habe:
PFERDE SIND NICHT RESPEKTLOS.
Ihr Gehirn ist nicht so aufgebaut, dass sie abstrakte Konzepte verstehen. Sprich: gut und böse, richtig oder falsch, sie die Fähigkeit haben, vorauszuplanen, und schon gar nicht: respektvoll oder respektlos sein zu wollen. Pferde haben dieses Konzept nicht. Ihr Verhalten richtet sich ausschließlich danach, was sich für sie wie eine Belohnung anfühlt. Sehr einfach ausgedrückt: Rempelt ein Pferd einen Menschen an und dieser weicht aus, merkt sich das Pferd, dass dies für es selbst ein angenehmes und, ableitend von der Reaktion des Menschen, dem Menschen offenbar ebenso willkommenes Verhalten ist. Dass das Pferd dann nicht nur zutiefst erschrocken, sondern auch vollkommen verwirrt ist, wenn derselbe Mensch es plötzlich nach 160 Malen beim 161sten Mal haut und anschreit, sollte niemanden verwundern. Und nicht nur das: es hinterlässt tiefes Misstrauen im Pferd. Dies wiederum wird zu vermehrter Vorsicht in Anwesenheit des Menschen führen und möglicherweise zu defensivem Abwehrverhalten, je nachdem, wie verunsichert das Pferd ist. Und das wiederum ist auch schon das zweite große Missverständnis: PFERDE SIND NICHT BÖSE. Unsicher, von schlechten Erfahrungen und für sie missverständlichen Signalen des Menschen geprägt, ja. Böse: nein. Sie haben als Fluchttier nur zwei Möglichkeiten: wegrennen oder sich verteidigen. Wenn ein Pferd in unserer Gegenwart das Gefühl hat, eines von beidem tun zu müssen, haben wir etwas gewaltig falsch gemacht.
Vielleicht würde es schon helfen, wenn sich alle Reiter einmal die Mühe machen würden, darüber nachzudenken, wie sich ihr Pferd wirklich FÜHLT. Auch das lässt sich übrigens auf alle anderen Lebewesen übertragen, mit denen wir zu tun haben. ©Julie v. Bismarck
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